Text: Christel Zidi
Fiktive Erzählung
Allagen, 28. Juni 1617
Es war nicht nur die Ruhe vor dem Gewitter an diesem schwülen Sommertag, an dem die Menschen in den Gassen nur flüsterten und selbst das Kirchengeläut vom Möhneufer her dumpfer klang als sonst. Mittlerweile hatte sich vor dem Rathaus eine unruhige Menge versammelt, denn heute sollte ein Mann zum Scheiterhaufen geführt werden, den alle in der Umgebung kannten – und bis vor einigen Tagen hätte man auch sagen können: den alle in der Umgebung mochten: Steffen von Niederbergheim.
Zahlreiche Männer waren bei ihm zu Gast gewesen, um das köstliche Bier zu verkosten, das Steffen braute. Es wurde gelacht und nicht selten viel getrunken, denn die meisten von ihnen arbeiteten schwer, oft in den umliegenden Wäldern. Doch so sehr Steffen sich in den letzten Tagen den Kopf zermartert hatte, wer ihn wohl angeklagt haben mochte – es fiel ihm niemand ein. War es Neid, weil sein Geschäft gut lief – und Steffen zudem eine gute und schöne Frau besaß, die ihre Kinder wohl erzogen hatte? Es hatte keinen Sinn mehr, darüber nachzudenken. Das Urteil war gefällt.
Neben ihm schritt Pfarrer Michael Stapirius, ernsten Gesichts, ein Kreuz in der Hand, ein Gebet auf den Lippen. Doch sein Blick streifte nervös den Mann, den er begleiten sollte. Noch war Hoffnung – auf Reue, auf das Eingeständnis der Schuld, auf Rettung der Seele.
Sie kannten sich gut, denn auch der Pfarrer war gern einmal bei ihm eingekehrt. Und er wusste, dass Steffen zwar ein lauter und sehr direkter Mensch war, aber auch ein gottesfürchtiger.
„Steffen“, begann er leise, „tu Buße. Bleib bei deinem Geständnis. Der Himmel sieht, was in deinem Herzen ist.“
Steffen blieb stehen. Die Fesseln knarrten, als er sich umwandte. Sein Sohn war gekommen, ein angesehener Schiedsmann aus Paderborn, der sich nicht hatte abhalten lassen, Zeuge zu werden.
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