Dann kam eine neue Zeit. Männer aus fernen Landen brachten das Kreuz und den strengen Glauben. Sie rissen die Irminsul in Obermarsberg nieder, die Weltsäule unseres Volkes. Auch hier in Wormbach bauten sie bald eine Kirche auf dem Boden, der einst heilig war – als wollten sie das alte Lied ersticken, indem sie ihre Hymnen darüber sangen. Doch glaubt mir: Die Erde vergisst nicht. Manchmal spürt ihr es, wenn ihr die Kirche St. Peter und Paul betretet. In den Bildern des Tierkreises an der Decke flackert noch etwas vom alten Wissen. Es sind Sterne, die auch unsere Vorfahren schon kannten, als sie noch nicht in den Schriften der Christen standen.

Wormbach, Pfarrkirche St. Peter und Paul (Foto: Georg Hennecke)

Ich erinnere mich, wie die Menschen hier ihre Höfe übergaben. Nicht mit einer Feder auf Pergament, sondern mit einer Scholle Erde, einem Stab in der Hand. Alles war sichtbar, greifbar, verbunden mit der Erde. Heute nennen sie es „altes Brauchtum“ – für uns war es ein Band zwischen Mensch und Land, stärker als jede Schrift.

Viele sagen, Bonifatius habe Wormbach gegründet. Das erzählen sie gern, doch ich weiß: Er war niemals hier. Was wahr ist: Wormbach war einer der ersten Orte im Sauerland, der den neuen Glauben annahm. Doch die Schatten der Alten blieben. In den Namen der Dörfer, in den Grenzen der alten Gaue, in den Gräbern unter der Erde. Und manchmal – in einer Erzählung, die nur geflüstert wird.

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