Die Ernst-Brüder lauschten gebannt. Johann neigte sich leicht vor, als koste er den Takt. Theodor folgte mit der Flöte – erst zögernd, dann sicherer, als kenne er die Melodie seit Jahren. Kaspar setzte mit weichen, tiefen Klarinettentönen ein und verlieh dem Lied eine warme, tragende Basis.

Der Klang breitete sich über die Höfe aus, schwebte über die strohgedeckten Dächer und verlor sich allmählich in der beginnenden Dämmerung. Als das Lied verklang, blieb einen Augenblick lang nur Stille. Schließlich sagte die alte Anna, fast ehrfürchtig: „Das ist ein Lied, das man mit ins Herz nehmen kann.“

Der wandernde Sänger lächelte. Anna dachte an ihren verstorbenen Mann Johann, der einst ebenfalls als Vagabund durchs Land gezogen war – und sie mit seinem Gesang berührt hatte. Nur war er nicht weitergezogen, sondern geblieben. Vier Kinder hatten sie miteinander großgezogen.

Während die Kinder näher rückten und sich die Erwachsenen in kleinen Gruppen unter der Linde sammelten, sahen die Ernst-Brüder einander an. Kaspar grinste. „Kommt“, sagte er, „jetzt singen wir eins gemeinsam.“

19.03.2006 Sieperting

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