„Herr Michel“, sagte Steffen, laut genug, dass sein Sohn es hören konnte, „Ihr kennt mich. Wollt Ihr mich begleiten, so sei es. Aber nennt mir kein Wort von Zauberei. Ich bin kein Zauberer. Was ich gestand, wurde mir aus dem Leib geprügelt – von Schöffen, Richtern, dem Kommissar Höxter. Sie zwangen mich, zu sagen, was nie in meinem Sinn war. Sie machten mich zum Lügner. Und nun soll ich für ihre Lüge brennen.“
Er drehte sich seinem Sohn zu, der sichtbar mit den Tränen zu kämpfen hatte. Da war kein Zittern in seiner Stimme, nur das schwere Wissen eines Mannes, dem jede Gerechtigkeit verweigert worden war. „Sohn“, sprach er, „wenn in dir ein Tropfen meines Blutes lebt, dann räche mich. Nicht mit Hass, sondern mit Wahrheit. Lass die Namen dieser Schurken nicht in Vergessenheit sinken – Richter, Schöffen, Kommissar. Wenn ich die Wahrheit sage, foltern sie mich erneut. Und welcher Mensch, Sohn, hält ein zweites Mal aus, was mich schon beim ersten Mal zerbrochen hat?“
Am Ende, vor dem Gericht, wiederholt Steffen von Niederbergheim unter Zwang seine unter Folter erpressten Geständnisse. Das Urteil wird vollstreckt. Das Feuer löscht das Leben eines Mannes aus, der unschuldig war.
Pfarrer Stapirius ist erschüttert. Er beginnt zu zweifeln, leise zuerst, dann lauter. Später wird er schreiben, dass nicht Recht oder Gerechtigkeit das Handeln der Gerichtsherren bestimmte, sondern „was ihnen in den Kram passt, was ihrem Beutel dient“. Der Zweifel ist gesät.
Stapirius – oder Michael Stappert, wie er mit bürgerlichem Namen hieß – hatte zunächst an die Notwendigkeit der Ausrottung der Hexerei geglaubt. Doch seine Gespräche mit den Angeklagten, das Grauen der Folterkammern, lassen ihn umdenken. In einem verlorengegangenen Werk, das jedoch in Zitaten überliefert ist, erhebt er seine Stimme gegen das System aus Angst, Lüge und Gewalt.
Infos
Am 31. März 2011 beschloss die Stadtvertretung eine sozialethische Rehabilitation im Bereich der heutigen Stadt Rüthen für während des 16. und 17. Jahrhunderts im Rahmen der sogenannten Hexenverfolgungen unschuldig verurteilte und hingerichtete Personen.
Von 1573 bis 1659 sind aus dem kleinen Ort Rüthen und im Gogericht Rüthen 169 Hexenprozesse bekannt. Mindestens 79 Menschen wurden hingerichtet.
Steffen von Niederbergheims Sohn war Schiedsmann in Paderborn. Seine Schwester war die Hirschberger Bürgerin Gertrud Koch („Gertrud die Kochsche“), die 1628 in Anröchte von dem Hexenkommissar Heinrich von Schultheiß verurteilt und anschließend verbrannt wurde.

