Text: Christel Zidi
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Meister Albanus und das Geheimnis der alten Gruben
So könnte es (in heute verständlicher Sprache) im Tagebuch des Albanus gestanden haben:
Nuttlare, im Herbst 1621
Man sagt, tief im dunklen Forst des Arnsberger Landes atme die Erde selbst. Ich, Albanus von Nuttlare, habe diesen Hauch vernommen – dort, wo die Eidmecke murmelnd durch ein verborgenes Tal zieht. Meinen Namen werdet ihr nicht in den Geschichtsbüchern finden, denn meine Arbeit ist geheim.
Unweit meines Laboratoriums, etwa zweieinhalb Wegstunden nördlich von Nuttlar, breitet sich in einem abgelegenen Längstal des Arnsberger Waldes ein verborgenes Grubenfeld aus. Wo die Eidmecke plätschert, steigen über vierhundert Schritt den Hang hinauf Schachtpingen, Halden und eingestürzte Stollen empor – Narben, die von der harten Arbeit unserer Väter zeugen.
In den Spalten der alten Gesteinsschichten ruht das Antimoniterz – jenes bleigraue Gestein, das einst in der Grube „Paßauf“ geborgen wurde. Es ist der Spießglanz, der den alten Meistern der Alchimie heilig war.
In ihrem Wissen steht Antimon für den Grauen Wolf – das Sinnbild der ursprünglichen, ungestalteten Materie. Man glaubte, der Spießglanz sei das erstarrte Quecksilber, das in seiner festen Gestalt besondere Kräfte birgt. Aus ihm wurde die fünfte Essenz des Antimon bereitet – eine hochgeschätzte Arznei, die, so hieß es, alle anderen Heilmittel entbehrlich machen könne.
Am Fuße des Hangs erhebt sich eine sichelförmige Halde, sechs Mann hoch. Aus ihrem Leib tritt rostrot schimmerndes Wasser – eine Haldenquelle, in der die Natur das alte Werk der Menschen fortsetzt. Hier zerfällt das Antimonit zu gelbem Antimon-Ocker – ein Zeichen, dass selbst verlassene Stollen nicht tot sind.

