Text: Christel Zidi
In Altenilpe, einem kleinen Ort im Herzen des Sauerlands, wird ein alter westfälischer Brauch bis heute lebendig gehalten: das Sonnenvogel-Singen. Lange hielt sich dieser Brauch auch in Fredeburg, Kirchrarbach, Oberhenneborn und Sögtrop.
Jedes Jahr um den 22. Februar herum, dem Gedenktag der „Kathedra Petri“ (volkstümlich auch „Petri Stuhlfeier“ genannt), ziehen die Jungen des Dorfes – bis etwa 15 Jahre alt – von Haus zu Haus. Mit Holzhämmern oder Stöcken klopfen sie auf die Türschwellen und singen alte Reime, um die „Sonnenvögel“ zu wecken und gleichzeitig Ungeziefer und den Winter aus den Häusern zu vertreiben.
Dieser Tag galt früher als symbolischer Frühlingsbeginn. Bereits im Jahr 1423 wurde er im Herzogtum Westfalen in der Gesinde- und Tageslohnsordnung als Wechsel vom Winter- ins Sommerhalbjahr festgesetzt:
„… und de Somer sal an gan, an sunte peters daghe, als he to rome up den stol quam.“
Der Sonnenvogel ist dabei ein vielschichtiges Symbol. Im Sauerland steht er meist für einen Schmetterling, häufig gelb oder weiß, manchmal auch für einen Marienkäfer oder eine Lerche. In allen Deutungen jedoch ist er ein Bote des Frühlings, ein Zeichen für neues Leben, Wärme und Licht. In der Volkskunde wurde der Sonnenvogel auch mit dem Sonnenmythos der Germanen oder Attributen des Donnergottes Donar in Verbindung gebracht.
Begleitet wird der Brauch von einem alten Spruch, die ursprüngliche Melodie ist heute jedoch kaum noch bekannt:
„Räut, räut Sonnenvöuel, Senten Paiter is do,
Senten Tigges kümmet hernoh.
Kleine Möis, gräute Möis, alles äut dem Häuse räut,
äut Kisten und Kasten, äut allen Morasten.
In der stoinernen Klippe, do sas däu inne sitten.
In diär Steynkueuhlen, do sas däu inne verfäulen.
Bitt gint Johr ümme düse Teyt, bitt dat wier räuter räupet.
Räut! Räut! Räut!“
„Räut“ bedeutet dabei so viel wie „raus mit euch!“ – gemeint sind Mäuse, Käfer und anderes Getier, das sich über den Winter in den Häusern eingenistet hat. Am Ende des Umzugs erhalten die Jungen als Dank Süßigkeiten und Geld – gerecht verteilt untereinander: die Kleineren bekommen mehr Süßes, die Größeren etwas weniger davon, aber dafür mehr Geld.
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