Text: Christel Zidi
Ein Jahrhundert medizinisches Wirken in Meschede und Ramsbeck
Es gibt Menschen, die werden in eine Stadt hineingeboren, verlassen sie aber bereits als Kleinkinder – ohne je eine tiefere Verbindung zu ihr aufzubauen. Lediglich ein Besuch bei Verwandten ist dokumentiert. Trotzdem schmückt sich die Stadt mit ihren berühmten Namen, als habe sie Anteil an ihrem Ruhm. Solche Fälle wecken gelegentlich Verwunderung, besonders dann, wenn gleichzeitig jene vergessen scheinen, die über Generationen hinweg wirklich vor Ort gelebt und gewirkt haben.
Ein solches Beispiel ist die Familie Ruer – eine jüdische Arztfamilie, die das medizinische Leben in Meschede und Ramsbeck über ein ganzes Jahrhundert prägte. Wer nicht gezielt nach ihr sucht, wird kaum auf sie stoßen. Und doch wäre es mehr als gerechtfertigt, ihr Andenken bewusster im Stadtgedächtnis zu verankern.
Den Anfang machte Herz Israel Ruer (1758–1826). Nach einem Studium am Collegium medico-chirurgicum in Berlin promovierte er 1779 an der Universität Göttingen. Er ließ sich in Meschede nieder, wo er 1791 vom Kurfürsten Maximilian Franz von Österreich zum Hofmedicus ernannt wurde – ein Titel, der nicht nur Ehre, sondern auch fachliche Anerkennung bedeutete. Mit seiner Frau Frederica Marke begründete er eine Medizinertradition, die weit über seine Lebenszeit hinaus Bestand hatte.
Sein Sohn David Ruer (1802–1874) führte diese Tradition fort. Er studierte in Göttingen und Berlin, promovierte 1824 und übernahm die väterliche Praxis in Meschede. In der Bevölkerung galt er als geachteter Arzt, dem insbesondere sein selbstloser Einsatz während der Choleraepidemie von 1857 bleibende Anerkennung einbrachte. Dafür wurde er mit dem Roten Adlerorden IV. Klasse ausgezeichnet.
Auch Hermann Ruer (1828–1890), Davids Sohn, schlug die medizinische Laufbahn ein. Nach seiner Promotion 1851 in Berlin begann er als Arzt in Meschede. Zwei Jahre später wurde er nach Ramsbeck berufen – als Knappschaftsarzt für den dortigen Bergbaubetrieb. Er übernahm die Leitung des neu errichteten Krankenhauses, das 1854 auf Initiative des französischen Generaldirektors Marquis de Sassenay entstand. Geplant war die Finanzierung über eine Betriebskrankenkasse – ein fortschrittlicher Gedanke. Doch bereits 1856, infolge einer schweren Bergbaukrise, musste das Krankenhaus wieder schließen. Das Gebäude wurde anschließend als Wohnraum für Bergbauangestellte genutzt. Hermann Ruer blieb dennoch in Ramsbeck tätig und war als Landarzt in der Region sehr geschätzt.

zum Beispiel der Rauchgaskamin links im Bild.
Der Foto-Standpunkt befindet sich im Bereich der ehemaligen Halden.
Foto: Georg Hennecke
Die nächste Generation verließ schließlich den medizinischen Weg, blieb dem Bildungs- und Gemeinwesen jedoch verbunden. Rudolf Ruer (1865–1938), Hermanns Sohn, wurde ein angesehener Chemiker und Professor an der Technischen Universität Aachen. Sein Bruder Otto Ruer (1879–1933) wurde Jurist und liberaler Politiker. Von 1925 bis 1933 war er Oberbürgermeister von Bochum, bevor er von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt wurde.
Vielleicht ist es an der Zeit, diesem Erbe in Meschede und Ramsbeck den Platz einzuräumen, den es verdient.
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