Text: Christel Zidi

Fiktive Erzählung

Wenn in den frühen Morgenstunden die Nebel vom Lüerwald herabzogen, machte sich Theodor Schlinkmann auf den Weg. Er war ein kräftiger Mann, mit wettergegerbtem Gesicht und bedächtgen Bewegungen. Achtzig Jahre zählte er schon, und doch konnte man ihn noch oft im Wald antreffen, wo er das tat, was er sein Leben lang getan hatte: Holz schlagen, stapeln, richten.

Theodor war am 22. Dezember 1820 in Hüsten geboren und einen Tag später in St. Petri Hüsten getauft worden. Sein Vater, Johann Wilhelm Schlinkmann, stammte aus dem nahegelegenen Eisborn. Der Großvater war Lehrer gewesen – in Holthausen vorm Lüer wie Holzen früher hieß. Bildung war also ein Erbstück der Familie, und Bücher fanden sich auch in Theodors Haus. So besuchte er als Kind die Schule in Oelinghausen, wo er unter dem Lehrer Franz Wilhelm Schunk Lesen, Schreiben und Rechnen lernte. Doch vom Lehrerdasein konnte man im 19. Jahrhundert kaum eine Familie ernähren. Das wusste er noch von seinem Großvater.

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Mit 23 Jahren heiratete Theodor in Enkhausen die Anna Catharina Stübecke aus Hachen. Sie schenkte ihm zehn Kinder –  die ernährt werden wollten. So griff Theodor also zur Axt statt zur Feder und verdiente seinen Lebensunterhalt als Holzarbeiter: im Wald, auf den Feldern und bei Rodungen, manchmal auch als Fuhrmann oder Köhler. Der Wald wurde sein Broterwerb – dort, zwischen Bäumen, Stämmen und Wegen, arbeitete er hart, damit seine Familie überleben konnte.

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