Michael Stappert und Friedrich Spee, Bronzeplastik am Hexenturm in Rüthen
Foto: Georg Hennecke

Text: Christel Zidi

Fiktive Erzählung

„Ihr sollt euch nicht wenden zu den Wahrsagern und forscht nicht nach den Zeichendeutern, dass ihr nicht an ihnen verunreinigt werdet; denn ich bin der HERR, euer Gott.“ – energisch war die Predigt des jungen Hirschberger Pfarrers. Er wollte seine Gemeinde frei halten von allen bösen Einflüssen. Ein gottgefälliges Leben sollte ihr Bestreben sein. Und damit es auch die in den hinteren Reihen hören konnten, fügte er mit Nachdruck den Bibelvers aus dem 2. Buch Mose hinzu: „Die Zauberinnen sollt ihr nicht leben lassen.“

In die hintere Kirchenbank hatte sich jemand gezwängt, der sich in Hirschberg bereits einen Namen gemacht hatte: Heinrich Schultheiß. Dem „Hexenrichter“, wie man ihn auch nannte, gefiel die leidenschaftliche Predigt des Michael Stappert. Genauso einen Eiferer konnte er auch vor Gericht gebrauchen.

Kurze Zeit darauf hatte Michael Stappert, der ursprünglich aus Rüthen-Meiste stammte, bereits einigen Prozessen beigewohnt. Fast immer ging es dabei um Anklagen wegen Hexerei. In einem der ersten Fälle wurde eine junge Frau aus Hirschberg angeklagt, die aufgrund ihres liederlichen Lebenswandels stadtbekannt war. Ihr schönes Antlitz hatte schon so manchen Ehemann in Versuchung geführt und so mancher Ehefrau Kopfschmerzen bereitet. Eine Hexe par excellence – so kam es ihm in den Sinn. Aber was wusste Stappert wirklich von den Missetaten dieser Frau? Waren es gar nur Vermutungen?

Seine Aufgabe war es, den zum Tode Verurteilten geistlichen Trost zuzusprechen. Dabei hatte Stappert stets die Hoffnung auf ein Umdenken, ein Bekehren dieser Irregeleiteten. Bei den Gesprächen mit den Verurteilten hörte er immer wieder, wie sie zu ihren Geständnissen gebracht worden waren. Suggestive Fragen und Folter waren die üblichen Methoden. In dem jungen Priester kamen Zweifel auf: Waren die Menschen, die da vor ihm saßen, wirklich Hexen und Zauberer? Waren sie es, deren Ausrottung er noch vor wenigen Monaten von der Kanzel gefordert hatte? Es gab einige unter ihnen, die ausdrücklich darum baten, das, was sie ihm anvertrauten, nicht den Richtern mitzuteilen. Zu groß war die Angst vor weiteren Folterungen. Lieber wollten sie sterben.

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