Ich unterbreche nur ungern, aber wissen Sie, wer diese Burg erbaut hat?

Karolus Magnus natürlich! Der hat wirklich alles erbaut, was man sich überhaupt nur denken kann. Hier im Umkreis hält sich jedoch beharrlich das Gerücht, ein örtlicher Adeliger habe die Burg privat erbaut – vielleicht hätten sogar die Grafen von Werl mitgemischt. Aber das bezweifle ich doch sehr.  

 Danke für die Aufklärung. Was genau ist Ihre Funktion in dieser Burg?

Ich bin der custos portae primae (= Wächter des ersten Tors), eine höchst verantwortliche und sehr gehobene Tätigkeit. Insgesamt gibt es fünf Tore – wobei das erste natürlich das wichtigste ist.

Wie muss ich mir das genau vorstellen?

Ja also:
Alle, die ich kenne, lasse ich rein und raus.
Alle, die ich nicht kenne, überprüfe ich auf ihre Herkunft: Franken dürfen rein, Sachsen nicht – vor allem keine bewaffneten Sachsen.
Die Überprüfung gilt natürlich nicht für Adelige. Der Graf von Arnsberg hat jederzeit freien Zugang, ebenso wie seine ganze Sippschaft. Was manchmal ganz schön schwierig ist, weil das so schrecklich viele sind.
Aber diese Sorgen sind nichts im Vergleich zu den tödlichen Gefahren, die uns durch bewaffnete Sachsen drohen.

Waren schon mal welche hier?

Natürlich nicht – die wissen doch, dass ich das Tor bewache.

Und was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Ein Torwächter ist eigentlich immer im Dienst. Die Sachsen können jederzeit wieder Krawall machen.
Wenn ich trotzdem mal dienstfrei habe, ist es gar nicht so einfach, etwas zu unternehmen.
Um mich mit Torwächterkollegen zu treffen, wäre die nächste Burg, auf der wirklich was los ist, die Eresburg – das sind mindestens drei Tagesmärsche, und dasselbe noch mal zurück.
Das kann ich mir nicht erlauben. Außerdem ist das ganze Gebiet zwischen unserer und der Eresburg erklärtes Risikogebiet – da treibt sich allerlei zwielichtiges Gesindel herum.
Karolus Magnus hat es von da ja den Sachsen schon mehrere Male so richtig gezeigt – und die Irminsul hat er auch gleich abgeholzt. Einfach großartig.

So etwas gibt es hier nicht, leider.
Die Ortschaft unterhalb der Hünenburg ist eher friedlich. Kaum Sachsen – beziehungsweise, eigentlich sind das ja irgendwie alle mal Sachsen gewesen.
Aber nachdem sie Christen geworden sind, heißen sie Franken oder so ähnlich.
Also von Politik verstehe ich ja nichts, jedenfalls sind die wohl eher so Ehrenfranken – solange sie den richtigen Franken nichts tun.
Kultur haben die alle eher nicht, aber das soll sich ja jetzt ändern, wenn die edle Emhildis erst ihr Stift dort baut. Davon hört man ja so allerhand.
Wenn das wirklich was wird – und es dann endlich eine ordentliche Bierwirtschaft im Dorf gibt (Bier brauen können die nämlich!) – dann würde ich doch noch um die Tochter des braukundigen Herman, die schöne Irmel, anhalten und meinen Lebensabend hier verbringen.
Mal sehen!

Herr Gallus, wir danken Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch.

Foto: pixabay

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