Die Körbecker mochten ihn und seine Familie, auch wenn es kaum Kontakte gab. Alles, was zu erledigen war, übernahm seine Frau. „Sie wusste sogar, wo man zur Not Mehl für selbstgebackene Plätzchen kaufen konnte.“
Mit den nächsten Nachbarn machte sich das Ehepaar bekannt, aber bis auf wenige Treffen beschränkte sich das Verhältnis auf das Grüßen vom Hausfenster zum Nachbarhaus: „Die Letten sagen über solche Verhältnisse: Guten Tag und Auf Wiedersehen. Vielleicht gibt es darum im Deutschen die Merkwürdigkeit, dass das Besuchen ‚Vorbeigehen‘ heißt – was wir Letten wörtlich nehmen.“
Die erste festere Bekanntschaft schloss er mit dem Delecker Bildhauer Fritz Viegener. Bald darauf folgten weitere mit Menschen aus ähnlichen Berufen: „Stück für Stück krochen solche hervor wie Krebse aus dem Sand.“
Besonders mit zwei Dichterkollegen freundete er sich an: dem in Meschede geborenen Hannes Tuch und dem Schriftsteller Erwin Sylvanus aus Möhnesee-Völlinghausen. Auch mit dem Bildhauer Robert Ittermann und dem Journalisten Friedhelm Kaiser war er befreundet.
J.J. war sehr naturverbunden. Als man ihn in Lettland aufforderte, sein Haus zu verlassen und das Wichtigste mitzunehmen, antwortete er: „Das Wichtigste sind die Abendwolken über dem lettischen Wald – und die kann ich nicht mitnehmen.“
Umso wichtiger wurde ihm die Natur rund um sein Haus am Möhnesee. Den kleinen, besonderen Garten umgab er mit einem Zaun aus Zweigen, die er im Wald gesammelt hatte – eine Tabuzone für Wildtiere. J.J. verbrachte viele Mußestunden am Möhnesee, der ihn an die Düna, Lettlands größten Fluss, erinnerte.
„Es ist acht Uhr abends. Da ruft meine Frau plötzlich aus: ‚Kraniche!’.
Ich höre auf zu lesen. Es wird so still, dass nur das leise Summen der Petroleumlampe zu hören ist. Und durch die Stille dringen hier und da hohe Töne. ‚Mach das Fenster auf!’, sage ich. Und wie nun das Fenster offen ist, kommen mit der nächtlichen Kühle laute Orgelklänge ins Zimmer.“
J.J. starb 1962 im Alter von 85 Jahren. Er wurde in Körbecke beigesetzt. Die Überreste des Dichters und seiner Familie wurden 1997 nach Lettland überführt. Nach einem Staatsakt im Dom zu Riga fanden sie ihre endgültige Ruhe in Nereta, dem Geburtsort des Dichters.
Jānis Jaunsudrabiņš dachte oft an das ferne Lettland mit seinen Abendwolken am Horizont. „Wenn das Heimweh nicht so schmerzen würde, hätte ich mich in Körbecke fast glücklich fühlen können“, schrieb er einmal an einen Freund.

