Foto: Das Valmetal in den 1930er-Jahren
(Josef Gierse, bin Erbe, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons)
Text: Christel Zidi
Oma Mias Geschichten (fiktiv)
Untervalme anno 1898
Mit gefalteten Händen saß die Großmutter in ihrem Lehnstuhl. Sie hielt ihr obligatorisches Mittagsschläfchen. Selbst im Schlaf wirkte sie noch beherrscht. Der Rücken war krumm geworden von der harten Arbeit. Sie wirkte schmächtig mit ihren schmalen Schultern, auf denen jahrzehntelang so vieles gelastet hatte. Selbst jetzt, wo sie auf dem Altenteil saß, waren ihre Hände fast immer mit etwas beschäftigt: Sie schälte Kartoffeln, strickte oder hatte eines der Kinder auf dem Schoß.
Das Alter hatte sie milder gemacht und mit uns Enkelkindern scherzte sie oft. Das hatten ihre Kinder selten erlebt. Wir Kinder nannten sie liebevoll Oma Mia und lauschten gern ihren Geschichten. Und davon gab es so einige. Nicht nur Geschichten aus ihrem Leben. Sie kannten auch die ganz, ganz alten Geschichten aus dem Dorf und gab sie an uns weiter. Im18.Jahrhunderts war sie mit ihren Eltern nach Valme gekommen.

(Quelle: Josef Gierse, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Ich bin eine alte Frau geworden, hier in Untervalme. So viele Jahrzehnte habe ich gearbeitet, den Hof mit aufgebaut, Kinder geboren, Felder bestellt. Und doch weiß ich, dass meine Geschichte nicht mit mir beginnt – sie beginnt früher. Viel früher.
Valme war schon im Jahr 1315 in einer Urkunde erwähnt worden – in der Teilung der Grafschaft Rüdenberg. Drei Freigüter habe es hier gegeben, sagte mein Großvater oft, mit ehrfürchtiger Stimme. Und wie der Bach, der durch unser Tal fließt, so war auch die Grenze gezogen: rechts der Valme gehörte das Land zur Grafschaft Waldeck, links zur Grafschaft Arnsberg.

