Zum Glück habe ich die Gertrudis, mit der ich die Kammer teile. Sie ist schon recht alt – vermutlich über 30 Jahre – und die Schwester vom Nachbarn Knippinger. Da sie unverheiratet ist, hilft sie im Haus ihres Bruders. Wir teilen uns eine Kammer, weil beim Nachbarn mit seinen acht Kindern überhaupt kein Platz mehr frei ist. Im Haus Engeln haben wir über der Küche eine eigene Schlafstelle. Das fügt sich für mich gut, denn Gertrudis ist eine sehr liebe Person und hilft mir, wenn ich wieder nichts verstehe.

Sie hat mir erklärt, dass für eine Frau wie mich nur eine Möglichkeit besteht, berühmt und glücklich zu werden: einen reichen Bauern zu heiraten. Und der muss dann ein Haus bauen – umbauen geht auch. Dann steht mein Name im Schriftbalken über dem großen Tor. Wenn ich schon nicht als Königin oder Gräfin berühmt werden kann – das bestimmt allein die Geburt –, so könnte ich doch wenigstens Schriftbalken-berühmt werden?

In ganz Eversberg gibt es kaum eine Handvoll Dienstmägde; die meisten sind wie ich Verwandte, die daheim nicht von Nutzen sein können. Wir arbeiten vom frühen Morgen bis spät in die Nacht. Am Sonntag dürfen wir in die Messe. Gertrudis meint, ich könnte vielleicht sogar an meinem Namenstag zum 16. Geburtstag im März einen Tag zu Euch kommen. Sie habe gehört, dass die Muhme dies so mit ihrer Schwägerin besprochen habe. Das wäre mit der neuen Postkutsche von Meschede nach Eslohe – so schnell wie der Wind! Sie fährt täglich, also auch am 19. März. Ich spare jetzt schon jeden Groschen und Pfennig dafür. Es wäre so schön, Euch alle schon bald wiederzusehen.

Bis dahin bin ich
Eure dankbare Tochter Josefine

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