Foto: Georg Hennecke
Text: Christel Zidi
Baldeborn im Juni 1688 (fiktive Erzählung)
Ein Sohn! Ein Sohn! Ich weiß nicht mehr, ob zuerst die Glocken in meinem Kopf läuteten oder ob die Magd die Kapellenglocke läutete. Jedenfalls stand ich plötzlich still – mitten im Frühsommerregen, den Blick zum Herrenhaus gerichtet. Und dann rannte ich.
Die Stiefel schwer vom Lehm, der Rock flatternd – aber nichts konnte mich aufhalten. Die Magd hatte nur genickt, als ich zur Tür hineinpolterte. Und da lag sie: meine Catharina. Erschöpft, aber stolz. In ihren Armen – in frische Linnen gewickelt – ein Junge. Unser Sohn: Antonius Hermannus.
Ich beugte mich zu ihm hinab. Sein kleines Gesicht war ganz rot vor Anstrengung. Er schrie – nicht kläglich, sondern kraftvoll. Als ich mit dem Zeigefinger vorsichtig seine Hand berührte, schloss sich seine winzige Faust sofort darum, gekrümmt wie eine Wurzel. Ich wusste in diesem Moment: Diesen Knaben werden wir nicht verlieren, nicht wie den schwächlichen Jungen vor drei Jahren, der nur ein paar Tage lebte.

Catharina sah mich an und lächelte matt. „Er sieht dir ähnlich“, flüsterte sie. Ich wusste nicht, ob das stimmte – aber es war mir gleich. Ich wusste: Heute ist mein Stammhalter geboren. In einigen Jahren wird er mir zur Seite stehen. Und eines Tages den Hof übernehmen.

