Text: Christel Zidi
Dunkel glänzende Augen unter halb geschlossenen Lidern. Die Erinnerung an die letzte Nacht spiegelt sich in ihnen. Die Wangen noch immer gerötet. Die roten Lippen eines herzförmigen Mundes enden in nach oben gerichteten Mundwinkeln. Darunter ein kleines Kinn, unter dem sich der leichte Ansatz eines Doppelkinns abzeichnet. Unbändiges Haar fällt über die Schultern. Zufriedenheit, Leidenschaft – auch ein wenig Zügellosigkeit – spiegelt sich in diesem Gesicht wider, zumindest in der unteren Hälfte. Anders in der oberen: Über den starken, dunklen Augenbrauen, die wie mit dem Lineal gezogen wirken, wölbt sich eine hohe Denkerstirn.

Bild: public domain by wikimedia commons
Zweifelsohne war Gertrud von Plettenberg eine äußerst attraktive Frau – nicht nur äußerlich, sondern auch in dem, was sie an inneren Werten mitbrachte. Kein Wunder, dass der 76. Kölner Erzbischof, Ernst von Bayern, der in seiner Jugend kein Kind von Traurigkeit war, von der schönen und gebildeten Sauerländerin fasziniert war.
Gertrud stammte aus edlem Hause: Der Vater entstammte dem westfälischen Uradel, die Mutter einem baltischen Adelsgeschlecht. Dennoch führte ihre Familie nicht das Leben, das dem Adel gemeinhin zugeschrieben wird – zu klein, zu unbedeutend war das Rittergut Serkenrode bei Finnentrop. Und so wurde die adlige Brut früh aus dem Nest geworfen. Gertruds Bruder Anton wurde Gograf im Amt Fredeburg, ihre Schwester Eva Äbtissin im Kloster Drolshagen, die andere Schwester Anna Kellnerin im Kloster Oelinghausen. Auch Gertrud musste für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen. Sie war Verwalterin der Schlösser Arnsberg, Hirschberg und Höllinghofen – heute würde man sagen: Property Manager. Früher nannte man sie schlicht „Beschließerin“.
Bild oben: ki-generiert by Microsoft Copilot

