Herkunft und Aufstieg der Äbtissin
Wie und warum das Stift gegründet wurde, ist nicht eindeutig überliefert. Klar ist: Im 9. Jahrhundert dominierten die Grafen von Werl, später von Arnsberg, das regionale Geschehen. Sie stammen aus der Ricdagsippe, sodass man die Gründerin wohl im selben Umfeld suchen muss.
Die Indizien sprechen für Emhildis als Gründerin und erste Äbtissin. Es gibt überzeugende Argumente, in ihr die Witwe des Grafen Hermann vom Lochtropgau (bei Eslohe) zu sehen. Emhildis selbst könnte aus dem Grabfeldgau stammen – einem Grenzgebiet zwischen Südthüringen und Nordbayern, wie Pfarrer Schmitt vermutet. Die Entfernung zwischen Eslohe und Nordbayern war damals kein Hindernis, wenn Heiratspolitik zur strategischen Machterweiterung diente. Vielleicht war es auch ihre Mitgift, die den Grundstein für das Stift legte.
Stellen wir uns also eine weit gereiste, gebildete Dame vor, die nach dem Tod ihres Mannes als freie Frau ein Stift gründet – unter eigener Regie. Der Unterschied zum Kloster ist entscheidend: Stiftsdamen legten keine ewigen Gelübde ab und konnten später wieder austreten. Emhildis muss ein gewichtiges Eigenkapital mitgebracht haben, um in der Lage zu sein, ein neues Stift unter eigener Regie zu gründen. Des Weiteren muss sie gut vernetzt gewesen sein, um weitere Stiftsdamen zu gewinnen, die wiederum das Stiftsvermögen vergrößerten. Sie muss hoch gebildet und vor allem geschäftstüchtig gewesen sein, um das ganze Unternehmen nicht nur zu gründen, sondern auch erfolgreich auszudehnen. Mit Sicherheit war sie eine engagierte Christin.
Als Frau in einer fast ausschließlich männlich geprägten Welt hat sie die sich ihr bietende Möglichkeit genutzt, als Äbtissin eines Stiftes Einfluss auf die Regionalgeschichte zu nehmen und im Rahmen und unter dem Schutz des Stiftes Kultur, Bildung und christliche Werte zu vermitteln. Das dürfte damals schon männliche Abwehrmaßnahmen provoziert haben, die 1310 schließlich mit zumindest zweifelhaften Mitteln zur Umwandlung in ein Männerstift führten.
Emhildis war keine emanzipierte Frau im heutigen Sinne, aber an Mut, Gelehrsamkeit, kaufmännischem Geschick und nicht zuletzt an Frömmigkeit ist sie eine der bedeutendsten Frauen nicht nur ihrer Zeit.

