Foto: Michael Kramer, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons
Text: Christel Zidi
In Zeiten, die schwierig sind, kann es gut tun, sich mal der Menschen zu erinnern, die dazu gezwungen waren, Resilienz zu zeigen. In unserer Erzählung ist der Name Franz Niggemann fiktiv. Das, was die Scharfenberger zur Mitte des 19. Jahrhundert bewiesen haben, ist absolut real. Es ist ein Sinnbild für Anpassungsfähigkeit, Bescheidenheit und schöpferische Kraft in Zeiten der Krise.
Aus der Not eine Tugend machen
(fiktive Erzählung)
Es war ein warmer Frühlingstag, als über Scharfenberg ein Unglück hereinbrach. Franz Niggemann, ein einfacher Landmann, stand auf dem Rabenknapp – dem „scharfen Berg“, wie ihn die Einheimischen nannten – und blickte fassungslos auf sein Heimatdorf.
Ein verheerendes Feuer, entfacht durch des Windes Spiel und menschliches Ungeschick, hatte sich in Windeseile ausgebreitet und Haus um Haus verschlungen. Nur sieben Gebäude entkamen dem alles fressenden Brand. Wo gestern noch Fachwerkhäuser mit rauchenden Schornsteinen standen, lagen nun nur noch verkohlte Balken, Asche und der stechende Geruch des Feuers, das in einer einzigen Nacht fast das gesamte Dorf verschlungen hatte.
Unter jenen, die durch das Unglück all ihr Hab und Gut verloren, befand sich auch Franz Niggemann. Sein Haus war verloren, sein Vieh erstickt, und auch seine Frau hatte das Feuer ihm genommen. So saß er nun da, Tag um Tag, auf einem alten Stein am Fuße des Rabenknapps – jenem schroffen Hügel, von dem das Dorf seinen Namen trägt – und sann in die Ferne, wo einst seine Felder gelegen hatten.
Franz war ein schlichter Mann von festem Wesen und klarem Verstande. Er schlief in der Scheune eines Nachbarn, aß, was der Wald und seine Hände hergaben – und dachte nach. Was tun, wenn die Felder verbrannt, die Tiere tot und das Haus verloren sind? Franz war kein Gelehrter, aber er war ein Macher. Schon bald begann er, mit dem Material zu experimentieren, das der Wald ihm bot. Zunächst schnitt er feines Birkenreisig – nicht zu trocken, nicht zu frisch, damit es sich gut biegen und fest zusammenbinden ließ. Die Zweige legte er auf Länge und sortierte sie nach Stärke.

Sodann nahm er ein Stück Hanfschnur, schlug es mehrfach um das Bündel, spannte es mit beiden Händen fest an und verknotete es geschickt. Den Besenkopf befestigte er an einem hölzernen Stiel, den er aus Buchenholz schnitzte, glatt rieb und am Ende etwas anschrägte, damit der Besen festen Halt fand. Dazu bohrte er ein kleines Loch, zog einen dünnen Draht hindurch und verankerte so den Kopf mit dem Stiel.
Mit der Zeit entwickelte Franz eine gewisse Kunstfertigkeit. Seine Besen waren nicht nur fest gebunden, sondern auch gleichmäßig und sauber gearbeitet – in der Mitte nicht zu dick, an den Rändern leicht auslaufend, damit sie gut über Stein und Holz fegten. Er wusste: Ein guter Besen kehrt nicht nur den Schmutz, sondern spricht auch für die Sorgfalt seines Binders.

