Foto: Georg Hennecke
Text: Christel Zidi
Der drachentötende Erzengel Michael hängt über dem Eingang zur Sakristei in St. Magnus Niedermarsberg. Nicht verwunderlich, denn in Marsberg muss es wohl eine wahre Drachenplage gegeben haben. Unweit der historischen Altstadt Marsberg sollen sie gehaust haben, in den Drakenhöhlen.
Und so kommen wir auch schon zu den vielen Sagen, die sich rund um die Drakenhöhlen ranken. Sagen erklären die Welt, verbinden Menschen mit ihrer Heimat und spiegeln menschliche Ängste, Wünsche und Werte wider. Sie lehren, warnen und bewahren Erinnerungen an Orte und vergangene Zeiten. Sie sind es, die Landschaften und Geschichten lebendig machen und machten – lange vor der Zeit der immersiven Medien, also der künstlichen Intelligenz, in die Menschen heute eintauchen.
Apropos eintauchen… Der Königssohn Siegfried war es, nachdem er den Drachen besiegt hatten, in dessen Blut badete. Allerdings ist er nicht tief genug eingetaucht, denn eine kleine Stelle zwischen seinen Schulterblättern, auf die ein Lindenblatt fiel, blieb frei vom Drachenblut. Das Drachenblut machte Siegfried unverwundbar – bis eben auf die eine kleine Stelle…

So einen Drachen musste man sich wohl vorstellen wie einen Dinosaurier Plateosaurus, der am häufigsten in Mitteleuropa vorkam. Allerdings gab es die ersten Menschen erst sehr viel später, so dass sich Menschen und Saurier nie begegnet sein können. Doch wer weiß, vielleicht hat eines dieser ur-uralten Geschöpfe in Marsberg überlebt… 😉
Siegfried hatte also den Drachen besiegt, um die Menschen von dieser Plage zu befreien. Aber es ging auch um einen Schatz. Die Sage sagt, dass es der Goldschatz der Nibelungen war, den der Drache Fafnir hütete.
Der Ort des Geschehens um die Siegfried-Sage ist nicht sicher. Die einen sprechen vom Niederrhein, manche verorten sie in das Kyffhäuser-Gebirge nach Thüringen. Und die Sauerländer eben nach Marsberg. Wie auch immer, im Gedächtnis bleibt die Sage allein schon durch die Namen der Höhlen unterhalb des Buttenturms: die Drakenhöhlen.
In den feuchten Gängen fließen zwei Quellen, die einst zur Wasserversorgung der Stadt Obermarsberg genutzt wurden. Die größte Höhle soll über sechzig Meter lang sein – eine verwinkelte, kühle Welt aus Stein, Wasser und Dunkelheit. Es gibt da auch noch eine alte Geschichte, dass von der kleinen Drakenhöhle ein unterirdischer Gang bis unter das Rathaus von Obermarsberg geführt haben soll…
Das war in der Zeit zu Ende des 13. Jahrhunderts. Damals waren der Klosterbezirk und „Stadtberge“, wie man Marsberg damals nannte, von einer starken, mit sieben Türmen bewehrten Stadtmauer umgeben. Die Stadtmauer war durch zwei verschließbare Tore begehbar. Von der Befestigung ist der Buttenturm auf der Nordseite noch erhalten. Dieser war der Stadtmauer vorgelagert und diente der Bewachung der Höhlenquelle.
Rund um die Drakenhöhlen gibt es noch mehr Geschichten. So soll – ist auf einem Hinweisschild zu lesen – nachts eine geheimnisvolle, vermummte Frauengestalt König Karl einen unterirdischen Gang zur Eresburg gezeigt haben Am nächsten Tag gelangten die Franken durch diesen Gang in die Burg, konnten die Sachsen besiegen und deren Götzenbild, die Irminsul, zerstören. Der Schatz, der in den Höhlen verborgen liegen, wurde bis heute nicht gefunden. Zu gut wird er von den Hollen, den Berggeistern, bewacht.
Die Höhlen faszinieren nicht nur fantasiebegeisterte Menschen, auch für Geologen sind sie aus mehreren Gründen interessant.

