Schon am frühen Morgen begannen die Glocken von St. Petri zu läuten. Doch Hüsten war zu weit weg, als dass die Knechte und Mägde das Geläut hören konnten. Geschäftig liefen sie nun über den Hof, schmückten Türen und Wagen mit Birkenreisig, während in der Küche Brot, Schinken und große Töpfe mit Bier vorbereitet wurden. Bald würde der Brautzug mit der geschmückten Kutsche auf den Hof einfahren.

Die Musikanten mit Flöten und Geigen machten sich schon bereit. Die Braut saß auf dem geschmückten Wagen, der von Pferden gezogen wurde, die fast ebenso schön herausgeputzt waren wie Maria. Zum Glück hatte sie ihre Brautschuhe noch rechtzeitig gefunden, denn das „Entwenden“ dieser gehörte selbstverständlich zu einer Hochzeit. Sie trug ein Kleid aus dunklem Stoff mit engem Mieder, dazu eine feine Schürze und ein schön besticktes Schultertuch. Dazu einen Kranz aus Blüten. Außerdem einen kleinen Myrthenstrauß, dem Symbol für Reinheit und Treue.

Caspar ging zu Fuß neben ihr, wie es guter Brauch war. Caspar trug einen dunklen langen Rock, eine bestickte Weste, weiße Strümpfe, Kniehose, einen Hut – solide, ländlich, würdig. Am Revers hatte ihm die Mutter einen „Bräutigamsbusch“ ans Revers gesteckt: ein Strauß aus Papierblumen und Myrte.

In der großen Diele des Gutshauses, dessen Balken dunkel und alt glänzten, fand das Mahl statt. Statt Gerstengrütze gab es heute Hühnersuppe, dazu Speck und geräuchertes Fleisch. Fast alle Gäste langten mindestens drei Mal zu. Natürlich gab es auch reichlich selbstgebrautes Bier. Vorsorglich hatten die Knechte am Vortag noch zwei Bierfässer vom Wirtshaus am Markt in Hüsten geholt.

Die Gäste sangen und tanzten ausgelassen. Die Alten erzählten Geschichten von früheren Zeiten – von den Grafen von Arnsberg, die einst Herren des Gutes gewesen waren, von Mönchen aus Wedinghausen und von der Adelsfamilie Motzfelds, die vor Jahrhunderten schon hier ansässig gewesen sein sollten.

Caspar hatte gespannt zugehört. Zu gespannt, denn als er mit den Blicken seine Braut suchte, konnte er sie nirgends entdecken. Sofort wusste er, was los war: das Brautverziehen. Maria Catharina war entführt worden.  Ja, auch das gehörte dazu, und Caspar selbst hatte auch schon so manche Braut während der Hochzeitsfeier entführt. Hoffentlich fand er sie bald, denn je länger er sie suchen musste, umso teurer wurde das „Freikaufen“.

Bis spät in die Nacht wurde gefeiert. Als die Turmuhr elf schlug, verabschiedete sich das Brautpaar. Schließlich wolle man für das „Kramerholen“, also für die Nachfeier am nächsten Tag gut ausgeschlafen sein. Dann wurden die Reste weggeräumt und man erzählte die schönsten Anekdoten des Vortags.

Ihr Bett hatte das junge Paar später vorsichtig aufgeschlagen, denn dem Brauch gemäß hatten die Freunde das Brautbett schon mit Süßigkeiten als Symbol für ein „ein „süßes Leben“ und mit Milch oder Brot unterm Kopfkissen für häusliches Glück ausgestattet. Es gab auch die Schelme, die Schuhe, Besen oder anderes im Bett versteckten, um das Paar zu necken.

Für Caspar und Maria Catherina war es eine wundervolle Hochzeit, die damit schloss, dass sie am nächsten Tag gemeinsam einen Apfelbaum pflanzten. Das sollte ihnen Glück, Kindersegen und Wohlstand bringen.

FAKTEN

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