Foto: Nepomuk an der Ruhrbrücke in Meschede von Georg Hennecke
Text: Sabina Butz

Eigentlich könnte sich die ganze Geschichte auch heute genauso zutragen:
Ein reicher, kinderloser Mann, in Meschede geboren, stirbt 600 km entfernt – sagen wir in Prag. Sein ebenfalls in Meschede geborener Neffe, als Bürgermeister einer benachbarten Stadt selbst nicht unvermögend, macht sich auf den Weg, um die Erbangelegenheiten zu regeln. In Prag lernt er einen Freund seines verstorbenen Onkels kennen, der ihm für die Mescheder Stiftskirche St. Walburga ein Geschenk anvertraut, welches die Verbundenheit des Erblassers mit seiner Heimat bezeugen soll.

Der Erbe – er hieß Franz Michael Eberhard Hengesbach – übergibt das kostbare Geschenk ordnungsgemäß an den Thesaurarius (Schatzmeister) des Stiftes Meschede. Der Wert dieses Geschenkes lässt sich kaum beziffern.
Damals, im Jahr 1751, wurde dem Stiftsschatzmeister eine Reliquie übergeben: ein Partikel des heiligen Johannes Nepomuk.
Sie ist bis heute in der Monstranz erhalten, die am Festtag des Heiligen Johannes Nepomuk (16. Mai) zur Verehrung ausgestellt wird.

Es fällt uns heute schwer, die Bedeutung solcher Reliquien im 18. Jahrhundert nachzuvollziehen.
Eine Reliquie diente nicht nur der besonderen Verehrung, sondern sicherte auch eine spezielle Schutzfunktion des jeweiligen Heiligen zu.
Johannes Nepomuk war Schutzheiliger der Brücken, weil er im März 1393 auf Geheiß König Wenzels IV. verhört, gefoltert, gefesselt und halbtot von der berühmten Karlsbrücke in die Moldau gestürzt wurde. Sein Leichnam wurde geborgen.

Sein Widerstand gegen den böhmischen König und sein Eintreten für die Rechte der Kirche führten 1721 zur Seligsprechung und 1729 zur Heiligsprechung.
Neben dem ihm zugesprochenen Brückenpatronat wurde ihm besonders hoch angerechnet, dass er das Beichtgeheimnis gewahrt haben soll:
Der Legende nach weigerte er sich, seinem König zu offenbaren, was dessen Gattin (Sophie von Bayern) ihm gebeichtet hatte.
Eine schöne Legende – aber mehr auch nicht, da sie sich historisch nicht belegen lässt.

Johannes Nepomuk ist im Mescheder Stadtbild fest verankert: Seine Statue an der Ruhrbrücke in der Fritz-Honsel-Straße aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erinnert an seine Funktion als Brückenschutzheiliger. Heute vielleicht auch an die Bedeutung von Brücken im übertragenen Sinne?
Und wenn wir die Wahrung des Beichtgeheimnisses ebenfalls in die Gegenwart übertragen, könnte uns Nepomuk zurufen:
Es gibt Dinge, die man besser für sich behält, als sie lauthals digital zu verbreiten.

In Meschede schätzt man den heiligen Johannes Nepomuk – und hält gern an dieser alten Tradition fest.