Bödefeld im weihnachtlichen Winterkleid
Fotos: Georg Hennecke
Text: Christel Zidi
Erzählt von Anna Catharina Mette, geb. Klauke (fiktive Erzählung)
Es war ein klarer, frostiger Morgen, jener 28. Januar im Jahre des Herrn 1754. Ich war früh aufgebrochen, den steilen Waldweg hinunter nach Untervalme, wie ich es oft tat. Die Luft war scharf und unter meinen Schritten knackte der gefrorene Boden.
Ich dachte an nichts Besonderes – doch lag da plötzlich auf dem schmalen Pfad ein kleines Bündel. Ich hielt inne. Etwas daran stimmte nicht. Und dann hörte ich es – ein leises Wimmern. Ich trat näher, kniete nieder. Ein Neugeborenes in feste und doch feine Tücher gewickelt. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Wer, um Himmels willen, legt ein Kind in den Wald? Ich habe nicht lange gezögert, hob das Kindlein auf, drückte es an mich, wärmte es mit meinem Atem, mit meinem Leib – und lief den Berg hinauf zurück, so schnell ich nur konnte.
Zu Hause war das Staunen groß. Mein Mann, der Anton, war sprachlos. Die älteren Kinder aus seiner ersten Ehe traten schüchtern näher. Nur unsere kleine Tochter Klara rief laut: „Ein Brüderchen!“ – und lachte über das ganze Gesicht.
Mein Anton ging schon am nächsten Tag zum Pastor Selmann nach Bödefeld, um das Kind zur Taufe anzumelden. Der Pastor überlegte nicht lang. „Berg soll es heißen“, sagte er, „weil es am Berge gefunden wurde.“ Und weil mein Mann als Pate eingetragen wurde, nannte man es Anton. So wurde Anton Berg ins Taufbuch geschrieben. Vater und Mutter: unbekannt.
In Valme wurde bald viel geredet. Niemand verstand, wie und warum ausgerechnet auf meinem Weg ein Findelkind lag – dort, wo sonst kaum jemand entlangkam. Und je öfter ich darüber nachdachte, desto mehr glaubte ich: Es war kein Zufall. Vielleicht – so munkelte man bald – war es eine Tochter aus einem besseren Hause gewesen. Eine, die in Not war, aber nicht ohne Herz. Eine, die wusste, dass ich früh am Morgen diesen Weg ging. Dass ich das Kind finden würde. Und dass ich es nicht im Schnee liegen ließ.
Wir zogen das Kind groß wie unser eigenes. Anton war ein stilles, aufmerksames Kind. Lernte schnell, sang schön, hatte ein gutes Herz. Es war nicht unsere Idee, ihn zur Ausbildung ins Kloster Grafschaft zu schicken, der Pfarrer hatte es uns angetragen. Gab es da etwa doch jemand, der über ihn wachte? Vermuteten die Leute recht, wenn sie spotteten: „Die Sprölen sangen von einem Frölen.“ Wenn Anton das uneheliche Kind eines feines Fräulein war?

