Text: Christel Zidi

„Und alle knacken und essen wie die Eichhörnchen“

Zu den alten, liebevoll gepflegten Herbstbräuchen im Sauerland gehört der Martinstag, der vielerorts mit besonderen Sitten und kleinen Festlichkeiten gefeiert wird. Heute ziehen in vielen Orten Martinszüge durch die Straßen: Hunderte von Kindern – meist in Begleitung ihrer Eltern – tragen bunte Laternen und folgen St. Martin auf seinem Pferd. Zum Abschluss erhalten die Kinder traditionell ihre Martinsbrezel.

Weniger bekannt ist, dass es früher noch einen ganz anderen Martinsbrauch gab. Der sauerländische Heimatdichter Friedrich Wilhelm Grimme hat ihn in seinem Werk Das Sauerland und seine Bewohner“ eindrucksvoll beschrieben:

„Am Vorabend vor Martini erscheint in jedem Hause das ‚Märtens-Männchen‘ (verkleidete Burschen oder Mädchen), lässt die gläubig-erschrockenen Kinder beten und wirft danach, freigebig wie St. Martin, Nüsse und Äpfel in die ‚Griwwel-Grawwel‘. Die kleine Schar tummelt sich daraufhin vergnügt am Boden und schlägt sich lustig darum. Zugleich holt an demselben Abend jedermann, Klein und Groß, seinen im Herbst eingesammelten Schatz an Haselnüssen hervor, die bis dahin in Beuteln oder alten Strümpfen im Rauchfang hingen – und alle knacken und essen wie die Eichhörnchen, bis der ganze Tisch von Schalen bedeckt ist.“

Dieser alte Brauch, bei dem das „Märtens-Männchen“ Gaben verteilte und die Haselnussernte gefeiert wurde, erinnert daran, dass der Martinstag einst nicht nur ein Lichterfest, sondern auch ein Erntedankfest im Kleinen war – ein fröhlicher Abend, an dem Gebet, Spiel und gemeinsames Naschen zusammengehörten.

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