Abschied und Aufbruch, 1255 n. Chr.

Text: Sabina Butz

Auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ, ein wenig mulmig war ihr schon bei dem Gedanken, dass sie sich schon morgen auf die lange Reise zum Stift Meschede machen sollte. Mit ihren knapp zwanzig Jahren war sie natürlich längst erwachsen. Ihre Bildung konnte nur als vorbildlich bezeichnet werden: Bibelkunde, Lesen, Schreiben, Latein, sogar Rechnen – und natürlich die Familiengeschichte.

Beim Gedanken an ihre Familie fiel ihr der Abschied von ihrer Mutter Adelheid besonders schwer. Auch ihre Brüder Johannes, Gottfried und Ludwig, ihre Schwestern Ida, Berta und Mechthild würde sie vermissen. Tränen stiegen auf – sie versuchte, sich abzulenken. Sie musste sich doch nur vor Augen führen, welche Vorteile ihr bevorstanden:

Als Äbtissin des Stifts Meschede würde sie eine mächtige Frau sein. Ganz in der Tradition ihrer Familie, die bereits viele Äbtissinnen gestellt hatte: Jutta in Herford, Adelheid in Meschede, Bertha in Essen, Syradis in Münster. Ja, Agnes kannte die Familiengeschichte – konnte sie im Schlaf herunterbeten: Von den Anfängen unter Konrad II., Graf von Werl, bis zu den Grafen von Arnsberg, mit dreimal einem Gottfried und einmal einem Heinrich.

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