Text: Christel Zidi
Fiktive Erzählung
Am Tage des heiligen Bartholomäus, den 24. August im Jahre des Herrn 1661
Schon in den frühen Morgenstunden lag reges Treiben über dem Dorfe Reiste. Die Krämer hatten ihre Stände auf dem Platze vor der Kirche errichtet – Tücher flatterten im Winde, und der Duft von frisch gebackenem Brot, geräuchertem Fleisch und gewürztem Wein erfüllte die Luft. Kinder tollten zwischen den Tischen umher, mit roten Wangen und staunenden Blicken, ganz erfasst vom bunten Getümmel. Das Läuten der Glocken kündete vom Beginn des Kirchspielgerichts, und so fanden sich Bauern und Bäuerinnen aus nahen und fernen Ortschaften ein – etliche mit einem bestimmten Anliegen, andere nur aus Neugier, was der Tag wohl bescheren möge.
Schon seit dem 11. Jahrhundert, so will es die Überlieferung, sei solch ein märkisches Treiben an diesem Orte gewesen. Kaufleute, die auf dem Wege nach Soest, Brilon oder Attendorn gen Hanse zogen, hielten einst an der Reismecke Rast und boten ihre Waren feil. Und spätestens seit dem Jahre des Herrn 1347 – so bezeugt es eine altehrwürdige Urkunde – versammelten sich zu St. Bartholomäus alljährlich Gericht und Landsgemeinde an eben diesem Ort. Wer dem Gericht unentschuldigt fernblieb, hatte harte Strafen zu gewärtigen. So war es nur recht, dass das gemeine Volk zahlreich erschien – eine treffliche Gelegenheit, zugleich mit Vieh, Wolle und allerlei Gut zu handeln.
Auch der junge Henrich Schroer, ein Bauerssohn aus Reiste, hatte eine Ladung feiner Schafwolle mit sich geführt, in der Hoffnung auf guten Tausch. Schon Wochen zuvor hatte er dem Bartholomäus-Markt entgegengefiebert, war dieser doch weithin gerühmt für seine vielfältigen Begegnungen. Man raunte gar, dass hier nicht wenige Ehen ihren Anfang nähmen, noch ehe von offizieller Werbung die Rede sei. „Das schad’t ja nicht“, dachte sich Henrich, der nun in sein 26. Lebensjahr getreten war.

