Text: Christel Zidi
Foto: GeorgDerReisende, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
„Ich bin die Meiersche“ (fiktive Erzählung)
Man hat mich die Meiersche genannt. Nicht wegen meines Mädchennamens – den kannte irgendwann kaum noch jemand. Sondern weil ich die Frau des Schulten war: Joannes Henricus Wilhelmus Kather war sein Name. Und mit ihm, meinem Wilhelm, kam ich im Sommer 1818 auf den alten Hof, der tief verwurzelt ist in der Geschichte dieses kleinen Ortes: Gierskopp.
Gierskopp – so sagt man heute. Doch früher hatte dieser Ort viele Namen. Der Herr Pfarrer hat einmal erzählt, dass Gierskopp ganz früher Yashapen genannt worden sei. So fremd klang dieser Name, fremd wie der Wind von weit her. Später hieß es „Gerschopff“, dann „Girskop“, und irgendwann blieb nur noch Gierskopp – mein Zuhause.
Ich wurde auf der Gierskopp geboren. Mein Vater kam aus Tirol – ein starker Mann mit klugen Händen, der viel von der Welt gesehen hatte. Oft erzählte er uns von seiner Heimat, von den Bergen, die noch viel höher waren als die im Sauerland. Meine Mutter war von hier: bodenständig, warmherzig und schweigsam.
Zwei Höfe gab es einst hier draußen, am Rand von Olsberg, auf dem Weg nach Elleringhausen: den Schultenhof und den Kondukters- oder Kohlhasenhof. Ihre Felder, ihre Weiden – sie waren gemeinsames Gut. Damals zählten das Wort, das Land, der Ertrag. Und das Miteinander.
Der Kohlhasenhof brannte vor 200 Jahren nieder. Aber Volpert Kohlhase und seine Frau Elsa Stahlschmidt – sie haben ihn wieder aufgebaut. Und ihr Sohn, Stoffel, wurde später Meyer auf dem Schultenhof. Meyer – das war mehr als ein Verwalter. Es war ein Mann, der Verantwortung trug: für den Hof, für die Menschen, für die Ordnung.
Elsa blieb nach Volperts Tod allein zurück. Eine Frau mit Kraft, mit Mut. Sie führte den Hof, bis sie neu heiratete und fortzog. Jahre später wurde der alte Hof abgetragen. Und aus Wiggeringhausen brachte man ein anderes Haus her – Stein für Stein.
Zum Schultenhof gehörten 250 Morgen Land. Ein riesiges Stück, das bearbeitet werden musste – eine verantwortungsvolle Aufgabe. Mein Schwiegervater Adam Kather übernahm den Hof als junger Mann. Und nun ist sein Sohn Wilhelm – mein Wilhelm – dran. Er ist der „Schulte zu Giestop“, wie es in den Kirchenbüchern steht.

