Foto: Georg Hennecke
Text: Sabina Butz
In der nordischen Mythologie (Edda, 13. Jh.) werden kleinwüchsige, menschengestaltige Wesen erwähnt, die unterirdisch in Höhlen oder Bergen leben und arbeiten. Als Fabelwesen des Volksglaubens wird ihnen über Jahrhunderte übermenschliche Kraft, Schlauheit und überwiegend Hilfsbereitschaft nachgesagt. Später werden sie in Märchen und Sagen als bärtige Männchen mit Zipfelmützen dargestellt.
Beruflich sind Zwerge vor allem als Schmiede oder allgemeiner als Kunsthandwerker aktiv. Die Verbindung zum Bergwerk ergibt sich automatisch, wenn der Schmied die benötigten Erze selbst abbaut. Später erweiterten die Zwerge ihr Berufsfeld, um allgemein bürgerliche Handwerksberufe auszuüben. Ab dem Hochmittelalter wurden die Zwerge zunehmend diabolisiert. Sie galten als Heiden, die fast mit dem Teufel gleichzusetzen waren. Die Gebrüder Grimm (19. Jh.) setzten den Zwergen in ihrer Märchensammlung noch einmal ein kleines Denkmal.
Im Sauerland haben Zwerge ebenfalls ihre Spuren hinterlassen, bevorzugt natürlich in Bergbaugebieten: So wurde mindestens seit dem 14. Jh. in dem 745,1 m über NHN hohen Bastenberg nordwestlich von Ramsbeck Bergbau betrieben, wobei die Zwerge nicht fehlen durften.

Quelle: Georgius Agricola, Public domain, via Wikimedia Commons
Im Venetianerstollen, dem ältesten der insgesamt 60 Stollen des Bergwerks, sollen schon um 1000 n. Chr. Venetianer gearbeitet haben. Wegen ihrer Körperlänge, die ca. 20 cm kürzer als die der Ramsbecker Bewohner gewesen sein dürfte, liegt hier die Vermutung nahe, man könne sie als Zwerge bezeichnet oder angesehen haben. Der Querschnitt des Stollens (50–60 cm breit und 140 cm hoch) lässt ebenfalls vermuten, dass kleinere Bergarbeiter bevorzugt wurden. Allerdings wurde hier niemals Gold abgebaut, sondern silberhaltiger Bleiglanz und Kupfer.
In den regionalen Mythen und Sagen finden wir Zwerge, die im Stollen gearbeitet haben. Ihr König soll sogar am Bastenberg begraben sein, weshalb es heute noch um Mitternacht an seinem Grab spuken soll. Diese wunderschönen alten Erzählungen haben sicherlich ihre regionalgeschichtliche Bedeutung, auch wenn sie wissenschaftlich natürlich nicht nachweisbar sind. Aber so ein kleines bisschen glaubt vielleicht doch jeder daran?

