Text: Christel Zidi

Friedrich Wilhelm Grimme und Johann Georg Schmidt lernten sich als Theologiestudenten in Münster kennen. Dort gründeten sie 1847 – gemeinsam mit einigen anderen – an der Königlich Theologischen und Philosophischen Akademie die katholische Studentenverbindung „Sauerlandia“. In dieser Zeit begann eine lebenslange Freundschaft zwischen den beiden Männern.

Als Sohn eines Bauern geboren, besuchte Johannes Schmidt die als „Allendorfer Gymnasium“ bekannte Lateinschule des Pastors Friedrich Leinen. Diese private, kirchlich geführte Schule war ein Sprungbrett für jene, die sonst kaum Zugang zu höherer Bildung gehabt hätten. Grimme, der Sohn des Assinghauser Dorfschullehrers, hatte vor seinem Studium der Theologie und Philologie das Gymnasium Laurentianum in Arnsberg besucht. Die Reifeprüfung legte er mit Auszeichnung ab.

In Münster entdeckten die beiden jungen Männer ihre Begeisterung für die Sauerländer Mundart. Grimme arbeitete später als Lehrer und Gymnasialprofessor und wurde zu einem der bedeutendsten westfälischen Heimatdichter des 19. Jahrhunderts. Während er die ernsthaftere, volkstümlich-poetische Darstellung des Sauerländer Lebens – mit Humor, aber auch mit moralischem Anspruch – pflegte, neigte Schmidt dazu, Geschichten zu erzählen, die oft ins Groteske gingen und mit der Wahrheit freizügig umsprangen. Er verfasste humoristische Erzählungen, Gedichte und Anekdoten und galt als schlagfertiger Volksunterhalter.

1851 wurde Johannes Schmidt zum Priester geweiht und übte das Amt bis zu seinem Tod aus, zuletzt als Pastor in Calle. In dieser Tätigkeit erlangte er im ganzen Sauerland Berühmtheit – besonders durch seine Neigung zu Flunkereien und Lügenmärchen. Typisch war seine Haltung: „Wat ich verzähl, dat is so gewes’ – un wenn’t nich so gewes’ is, dann hätt’s so sein können.“ Dies trug ihm den Spitznamen „Lügenschmidt“ oder „Lügenpastor“ ein. In seinen Aufzeichnungen und in den Schriften Grimmes, der seit der Studentenzeit mit ihm befreundet blieb, sind zahlreiche Anekdoten erhalten.

Grimme sagte einmal über Schmidt: „Geistliche Herren sind eine Menge aus Allendorf hervorgegangen, darunter Prachtexemplare an Geist und Herz, vor allem auch ein Original ersten Ranges, welches im Fabeldichten und Schwänkerzählen vielleicht nie wieder seinesgleichen finden wird.“

Grimme und Schmidt standen in freundlich-ironischer Konkurrenz zueinander. Beide beanspruchten, die Sauerländer Volksseele literarisch zu vertreten – taten dies jedoch auf ganz unterschiedliche Weise: Grimme soll sich gelegentlich spöttisch über Schmidts Übertreibungen geäußert haben und hielt dessen Stil wohl für zu derb und zu wenig „wahrhaftig“. Umgekehrt machte Schmidt sich humorvoll über Grimme lustig, den er als etwas zu bildungsbürgerlich und belehrend empfand.

Trotz dieser Reibungen war ihre Beziehung nicht feindselig, sondern von gegenseitiger Anerkennung geprägt – beide waren sich bewusst, dass sie mit ganz unterschiedlichen Mitteln dasselbe Ziel verfolgten: das Sauerland und seine Menschen einem größeren Publikum bekannt zu machen.

Es wird berichtet, dass Grimme seinen Freund „Lügenschmidt“ als „den fröhlichen Wandersmann“ bezeichnete – und dass viele Anekdoten von ihren gemeinsamen Ausflügen stammen. Ihre Wanderungen durch das Sauerland waren ein fester Bestandteil ihrer Freundschaft. Sie führten sie durch Wälder, Täler und Dörfer der Region. Diese Ausflüge waren nicht nur Freizeitbeschäftigung, sondern auch eine Art „Feldforschung“: Grimme sammelte Eindrücke für seine Gedichte und Erzählungen, Schmidt für seine volkstümlichen Geschichten. Auf ihren Wegen kamen sie oft mit Bauern, Handwerkern und einfachen Leuten ins Gespräch. Diese Begegnungen flossen in Grimmes literarische Figuren und in Schmidts mündliche Erzählungen ein.

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