Die Veleda-Höhle, Foto: Georg Hennecke
Text: Christel Zidi
Wer beim Namen Velmede an die germanische Seherin Veleda denkt und den Ortsnamen daraus ableitet, liegt falsch: Die Ähnlichkeit ist rein zufällig. Wäre Veleda tatsächlich Namensgeberin des Ortes gewesen, müsste der Ortsname, der seit dem 12. Jahrhundert belegt ist, heute wohl Veledingen oder Veldeshusen heißen.
Nach heutiger Forschung bedeutet Velmede eine „Siedlung auf feuchtem, schwankendem Boden“. Abgeleitet wird er von der indogermanischen Wurzel pel- / pol- („fließen, zittern“) – und hat somit keinerlei Bezug zum benachbarten Fluss Valme.
Auch die geologisch eher unscheinbare, landschaftlich aber auffällige Veledahöhle, eine kleine Felsenhöhle oberhalb von Velmede, verdankt verdankt ihren Namen ausschließlich der blühenden Fantasie der Romantiker des 19. Jahrhunderts.
In dieser Zeit wuchs in Deutschland das Interesse an germanischer Vergangenheit und Mythologie – und Veleda wurde zur Symbolfigur für Freiheit und urtümliche Weisheit.
Da der Ortsname Velmede klanglich an Veleda erinnert, lag es nahe, die Höhle mit ihr zu verbinden. So entstand eine Reihe von Volksmärchen und Sagen, in denen Veleda als Priesterin oder Prophetin in der Höhle erscheint, Weissagungen spricht oder sich dort verbirgt.
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Doch Veleda lebte tatsächlich. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus schrieb im ersten Jahrhundert, dass Veleda eine germanische Seherin vom Stamm der Brukterer war. Historische Bedeutung kommt ihr durch ihre Beteiligung am Bataveraufstand* zu, in dem sie den Sieg für die aufständischen Germanen weissagte.
Veleda war nach Tacitus’ Aussage eine hochgewachsene Jungfrau, die zurückgezogen in einem Turm an der Lippe lebte. Die Seherin kommunizierte in dieser Funktion nur über Vertraute.
Tacitus verortete Veledas Wohnort deutlich im Bereich der Lippe. Das hielt die Romantiker im 19. Jahrhundert jedoch nicht davon ab, die Geschichte neu zu erfinden. In einer Ruhrgebietssage ist gar zu lesen, dass Veleda von ihrem Wohnsitz zwischen Bochum und Hattingen (an der Ruhr!) fliehen musste: „Heimlich, in einer tiefdunklen und regnerischen Nacht, floh sie aus ihrem Wohnturm im Rauendahl ruhraufwärts ins Sauerland. Dort suchte Veleda einen sicheren Ort, ein Versteck, um sich vor den Römern zu verbergen, und so drang sie immer weiter und weiter in das ihr unbekannte Gebiet vor. Endlich, nach langen Mühen, fand sie einen geeigneten Platz – eine große Höhle. Bald sprach es sich in der ganzen Gegend herum. Die Priesterin Veleda ist hier! Die Leute aus den angrenzenden Siedlungen brachten ihr viele kostbare Opfergaben, bald wurde auch die Höhle nach ihr »Veledahöhle« genannt.“
Diese Sage entstand allerdings sehr lange nachdem Tacitus schrieb, dass Veleda und der Bataver-Stammesführer Civilis im Jahre 77 gefangen genommen und an die Römer ausgeliefert wurden. In einem Triumphzug war die Seherin durch die Straßen Roms geführt worden.
Obwohl es also eindeutig keine echte Verbindung zwischen Veleda und Velmede gab, haben sich einige Bräuche um die Seherin lange Zeit gehalten.
So berichtete Pfarrer Eiffler im Jahre 1817, dass die Velmeder Bevölkerung „alle Ostern nachmittags, ohne ein christliches Zeichen, zur Höhle gehen und singen und beten“. Vom Heimatforscher Kohle wissen wir, dass um 1860 manche Menschen am Ostersonntag einen Stein in die untere Halle warfen oder den Teich am Grund der Höhle nutzten, um aus dem Wasserstand Voraussagen für die nächste Ernte zu machen.
Auch die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff, die bei einer Reise durch das Sauerland die Höhle besichtigte, konnte sich deren Faszination nicht entziehen. Sie beschrieb „Veledas Wohnung“ als kirchenähnliche Halle und versetzte ihre Leser in die Zeit der „Wodansgläubigen Väter“, die in Bärenhäuten auf die mächtige Drude Veleda warteten.

Ein alter Brauch um Veleda hat sich besonders lange gehalten. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein stiegen junge Frauen zur Höhle hinauf und riefen: „Veleda, gib mir einen Mann!“ Aus der Höhle hallte jedes Mal das Echo: „Han“. Aber wie gesagt, das war lange Zeit, bevor Dating-Apps Einzug hielten.

*Der Bataveraufstand war eine Revolte germanischer Stämme gegen die römische Herrschaft. Er begann im August des Jahres 69 und dauerte ein Jahr.

